Laut New Work-Magazin „Neue Narrative“ stehen zur Burnout-Prävention Arbeitgeber in der Pflicht, dass Arbeitnehmer nicht in psychisch ungesunde Situationen hineinrauschen. Die Aussagen stützen sich auf Ergebnisse von Gallup, einem führenden Marktforschungs- und Meinungsinstitut, mit Befragung von knapp 24.500 Amerikanern in Vollzeit-Beschäftigung.
Doch ist das wirklich so? Trägt das Unternehmen die hauptsächliche Verantwortung zur (psychischen) Gesundheit des Mitarbeiters? Es lohnt sich auf jeden Fall tiefer in den Kontext zu schauen.
Dass Prävention kein Modewort ist, haben auch die letzten Marketing-Spezialisten herausgefunden. Gesundheitsschutz ist nicht sexy. Was könnte passieren, wenn… „Mich wird es doch nicht treffen, ich achte doch auf mich…“.
Aus eigener, langjährigen Führungserfahrung weiß ich: NEIN.
Tun wir nicht. Oder selten. Wir horchen eher dann auf, wenn es im näheren Umfeld schon mal einen Burnout-Fall oder ähnliche mentale Belastungen zu erleben gab. Sonst eher Fehlanzeige. Zeitverschwendung oder Überbehütung.
Warum ist das so? Fakt ist: Burnout-Fälle wie andere psychische Diagnosen kosten Unternehmen jedes Jahr viel Geld und die Zahl der Fälle nimmt tendenziell zu. Ebenso die Anzahl der damit verbundenen Ausfalltage (Statista 2023). Frauen sind dazu grundsätzlich belasteter als Männer. Im gleichen Atemzug kostet es den Betroffenen viel. Mit der Situation im Alltag zurechtkommen, therapeutische Begleitung, wieder einfinden ins (Arbeits-) Leben. Kurzum: ein steiniger Weg, der nicht nur zwei Wochen dauert.
Laut Gallup-Bericht von 2020 gibt es folgende fünf Hauptgründe für Burnout:
- unfaire Behandlung am Arbeitsplatz
- unüberschaubarer Arbeitsaufwand
- unklare Kommunikation seitens der Vorgesetzten
- fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte
- unzumutbarer Zeitdruck
Alle diese Gründe hängen laut „Neue Narrative“ mit Arbeitsumgebung, -struktur und Kommunikation im Arbeitskontext zusammen. Damit ist für das Magazin klar, dass Burnout-Prävention auf Arbeitgeberseite liegt.
Für mich als Leser und Führungskraft eine recht einseitige Betrachtung. Nur weil Symptome Arbeitsbezug haben, muss nicht zwangsläufig die Ursache dort liegen. Es lohnt sich definitiv ein Blick über den Tellerrand. Und der hat gewöhnlich auch mit mir selbst zu tun. Ein vertrauensvolles und wertschätzendes Umfeld im Arbeitsalltag zu schaffen, dass Menschen sich öffnen und Sorgen frei äußern können, ist nur ein Teil des großen Ganzen. Wenn auch ein sehr wichtiger. Denn häufig sind auch Führungskräfte überfordert oder können die Sorgen der Mitarbeiter schwer einsortieren oder im System frei handeln. Nicht selten fehlen dazu klar kommunizierte und transparente Prozessen im beruflichen Kontext, unter welchen Bedingungen Mitarbeiter wie Führungskräfte sich „wann“, „wo“ und „wie“ Hilfe holen können.
Laut Gallup-Bericht können präventive Maßnahmen für Burnout sein:
- Arbeitsautonomie fördern
- stärkenbasiertes Arbeiten fördern
- Lärm und Unterbrechung dezimieren
- Probleme von Mitarbeitenden ernst nehmen
Doch fördert mehr Eigenverantwortung – also auch Autonomie – und vielleicht die Kombination mit Home Office die eigene Gesundheit? Oder erledige ich in den Pausen statt wirklich Pause zu machen und vor die Tür zu gehen, dann lieber den Haushalt? Man ist ja „eh da“. Wenn Aufgaben mit Fokus auf nur eine Sache verbunden sind, dann spricht nichts dagegen und es entlastet. Wenn jedoch munter weiter Multitasking betrieben wird, z.B. Spazierengehen und Podcast hören, Wäsche aufhängen und TV schauen, dann ist unser Gehirn weiterhin dauerhaft am Rotieren. Im Job wie jenseits des Jobs. Entspannung entsteht dann nicht. Die brauchen wir aber, um Energie zu tanken oder neue Ideen entstehen zu lassen.
Fakt ist: es liegt an uns, Entscheidungen zur eigenen psychischen wie körperlichen Gesundheit zu treffen.
Ob das „nein“ sagen oder Aufzeigen von Fehlentwicklungen im Angestellten-Verhältnis ist oder aber „nein“ sagen zu zusätzlichen Aufgaben im privaten Umfeld. Kaum Jemand wird uns schief anschauen, wenn wir erklären, warum wir gerade nicht können. Denn seien wir ehrlich: jeder hat mal einen Tag, an dem die Welt düsterer und anstrengender wirkt. Wenn das zum dauerhaften Zustand wird, sollten wir zuhören, hinschauen und Hilfe anbieten. Für uns. Gegenüber Anderen. Fürs Gemeinsame. Und das erfordert Mut. Beidseitig.
(Burnout-) Prävention hat für mich daher viel mit Zwischenmenschlichkeit zu tun.
Im Arbeitskontext wie im Privaten hilft, füreinander da zu sein. Und zu erkennen, wann der eigene Akku leer ist. Und wir dem Gegenüber auch raten dürfen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. BEVOR es zu spät ist.
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