Coaching hat es mittlerweile von der elitären Führungsebene in die Breite der Gesellschaft geschafft. Gut so, möchte man meinen! Doch was die Einen als psychologisch wertvoll unterstützen, verteufeln die Anderen aus Sicht der Marktangebot-Überschwemmung.
Dem Klienten oder Coachee – wie der Kunde genannt wird – steht nämlich aktuell eine fast unübersichtliche Möglichkeit an durchaus kreativen Wortneuschöpfung als Schwerpunkt zur Verfügung: Stimm- und Sprach-Coaching, Motivations-Coaching, Ernährungs-Coaching… Die Latte ist endlos.
Und da „Coach“ in Deutschland im Gegensatz z.B. zu Österreich keine geschützte Berufsbezeichnung ist, darf sich am Ende des Tages (oder der Ausbildung) jeder nennen, wie es ihm oder ihr gefällt. Oder wie es bestmöglich Eindruck beim Kunden schindet.
Wer soll da noch den Durchblick haben? Geschweige denn zwischen „gut“ oder „schlecht“ überhaupt ein sinnvolles Angebot finden, was noch zum Bedürfnis des Zahlungswilligen passt?
Leider gibt es aktuell – zumindest in Deutschland – bisher kaum sinnvolle Plattformen, auf denen man Coaches suchen und nach individuell – sinnvollen Suchkriterien filtern kann.
Die meisten Plattformen sind hausgemacht. Das heißt, die gelisteten Coaches sind hauseigen ausgebildet oder per Kooperation vertraglich aufgenommen. Dazu genügen sie idealerweise einem definierten Standard oder Bundesverband – Zugehörigkeit ist Pflicht. Willkommen im Dschungel der Undurchsichtigkeit. In Summe täuscht es wie so oft darüber hinweg, dass Zertifikate allein ausreichen könnten, um Menschen empathisch auf ihrem Weg begleiten. Wir alle kennen sicher aus der Schule noch den Unterschied zwischen dem Lieblingslehrer und der eher ungemütlichen Lehrkraft. Wie also nun weiter?
Grundsätzlich gilt fürs Coaching: es wird NICHT beraten. Viele Coaches sind gern auch als Berater und Trainer unterwegs und vermischen am Ende des Tages beide Themen. Bewusst oder unbewusst. Oder sind eigentlich gar kein Coach. Nur klingt die Bezeichnung gerade sehr „trendy“ und wirkt verkaufsfördernd.
Versteht mich hier nicht falsch, ich bin selbst gern als Trainer & Mentor unterwegs. Aber wir sollten uns als Coaches nicht einbilden zu wissen, was dem Gegenüber gut tut.
Wichtig ist: ein guter Coach wird Dir niemals Lösungswege vorschlagen, auf Ergebnissen beharren oder Dir einen vorgefertigten Weg auf dem Silbertablett präsentieren. Der Hauptzweck des Coaches liegt in seiner Neutralität und aus dieser heraus zu entwirren, was Du als Kunde (unterbewusst) wirklich willst. Daher ist das „zwischen-den-Zeilen-lesen-Können“ das wertvollste Gut und gleichzeitig die höchste Kunst. Es bedarf viel Übung, aber auch guter Intuition. Und dann zielgerichtet (oder auch nicht) die richtige Frage zu stellen, um Dich als Kunden in einen neuen Denkprozess jenseits Deiner gewohnten Gedanken zu befördern. Und von dort aus mit völlig offenem Ausgang weiter zu begleiten.
Außerdem sollte sich ein guter Coach von Zeit zu Zeit über die Schulter schauen lassen – man nennt das Supervision. Denn mit der Zeit ist es wie mit Allem: wir können in unseren Fähigkeiten nachlassen, wenn wir nicht regelmäßig über unser Tun reflektieren. Und glauben, dass wir die Weisheit mit Löffeln gefressen oder Alles schon gesehen haben. Daher hilft es, wenn es Kollegen als stille Beobachter gibt, die uns konstruktiv mitteilen können, wo wir gerade stehen. Schließlich soll der Kunde nicht die Idee des Vorgängers oder die des Gegenübers übergebügelt bekommen, weil „das schon immer gut funktioniert hat“.
Ich gebe Euch daher fürs Erste mit auf den Weg, Eurem eigenen Urteil im üblichen Erstgespräch zu vertrauen und gern auch mehr Personen als nur eine Einzige für Euer Thema anzufragen. Dazu hilft sicherlich auch – analog zu anderen Bereichen – die positive Mundpropaganda. Wenn mir Jemand einen bestimmten Arzt, Frisör oder eine KFZ-Werkstatt empfiehlt, mache ich auch automatisch eher einen Termin aus als mich durchs halbe Internet zu wühlen. Am Ende kristallisiert sich im direkten Kontakt schließlich ein „Ja, ich bin dabei!“ oder ein „Ich glaube, wir passen nicht wirklich zusammen.“ recht schnell heraus. Und vor allem Letzteres sollte auf jeden Fall erlaubt sein. Und zwar von beiden Seiten! Denn nur, wenn die Chemie gut passt, hat eine Zusammenarbeit auch wirklich Sinn. Vertraut Eurem Bauchgefühl!